Psychologie Lexikon der Argumente

Home Screenshot Tabelle Begriffe

 
Polizeiliche Vernehmungen: In der Psychologie werden polizeiliche Verhöre untersucht, um die Dynamik der Befragung von Verdächtigen zu verstehen, einschließlich der angewandten Techniken, der psychologischen Auswirkungen auf den Verdächtigen und des Risikos von falschen Geständnissen. In diesem Bereich wird das Gleichgewicht zwischen einer wirksamen Strafverfolgung und dem Schutz der Rechte des Einzelnen untersucht, wobei Faktoren wie Stress, Suggestion und die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses im Mittelpunkt stehen. Siehe auch Rechtspsychologie, Zeugenbefragungen, Suggestibilität, Stress, Gedächtnis, Falsche Geständnisse.

_____________
Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Sozialpsychologie über Polizeiliche Vernehmungen - Lexikon der Argumente

Parisi I 133
Polizeiliche Vernehmungen/Sozialpsychologie/Nadler/Mueller: In den Vereinigten Staaten ist physische Gewalt bei Vernehmungen nicht mehr erlaubt - das Gesetz verlangt, dass Geständnisse freiwillig abgegeben werden. Heute führt etwa die Hälfte aller Verhöre zu belastenden Aussagen (Kassin et al., 2007(1); Schulhofer, 1987(2); Thomas, 1996(3)). In Anbetracht der Tatsache, dass das Geständnis eines Verbrechens "eine äußerst selbstzerstörerische Angelegenheit ist, unabhängig von der tatsächlichen Schuld" (D. Simon, 2012)(4), sind Sozialpsychologen daran interessiert zu untersuchen, warum sich so viele Verdächtige für ein Geständnis entscheiden. Noch wichtiger ist, warum gestehen Verdächtige Verbrechen, die sie nicht begangen haben?
Falsche Geständnisse: In den meisten Fällen liegt die Antwort in dem psychologischen Druck, der bei modernen Verhörmethoden ausgeübt wird. In einem Experiment erklärten sich 36 % der schuldigen Verdächtigen und 81 % der unschuldigen Verdächtigen bereit, auf ihr Recht auf Schweigen
Parisi I 134
zu verzichten und mit der Polizei zu sprechen (Kassin und Norwick, 2004)(5). Von denjenigen, die sich bereit erklärten, auf ihr Recht zu schweigen zu verzichten, taten dies die meisten schuldigen Verdächtigen, um nicht verdächtig zu wirken. Die meisten unschuldigen Verdächtigen taten dies, weil sie glaubten, nichts zu verbergen zu haben.
Täuschung: Eine große Menge an Literatur, die über Tests der Fähigkeit von Menschen, Täuschungen zu erkennen, berichtet, hat gezeigt, dass Menschen im Durchschnitt nicht besser als der Zufall abschneiden, und mit wenigen Ausnahmen schneiden geschulte Beamte auf dem gleichen Niveau ab wie Laien, wenn auch mit hoher Sicherheit (Bond und DePaulo, 2006(6); Kassin, 2008(7); Kassin Meissner und Norwick 2005(8). Meissner und Kassin 2002(9). D. Simon 2012(4). Vrij, Edward, and Bull, 2001)(10).
Da polizeiliche Ermittler Schwierigkeiten haben, zwischen echten und falschen Geständnissen zu unterscheiden, haben sie wenig Grund, ein Verhör abzubrechen, bis das Geständnis erlangt ist.
Voreingenommenheit: Im Allgemeinen sind Menschen, sobald sie sich einen Eindruck verschafft haben, eher motiviert, diesen zu bestätigen, als ihn zu widerlegen (Rosenthal und Jacobson, 1968(11); Snyder und Swann, 1978(12)), und die Tendenz, Schuld zu bestätigen, gilt auch im Verhörraum - wenn Vernehmungsbeamte bereits glauben, dass ein Verdächtiger schuldig ist, sind sie eher geneigt, aggressive Taktiken wie die Präsentation falscher Beweise und Versprechen von Milde anzuwenden (Kassin, Goldstein und Savitsky, 2003)(13).
>Falsche Geständnisse/Sozialpsychologie.

1. Kassin, S. M., R. A. Leo, C. A. Meissner, K. D. Richman, L. H. Colwell, A.-M. Leach, and D. L. Fon (2007). "Police Interviewing and Interrogation: A Self-Report Survey of Police Practices and Beliefs." Law and Human Behavior 31 381-400. doi:10.1007/s10979-006-9073-5.
2. Schulhofer, S. J. (1987). "Reconsidering Miranda." University of Chicago Law Review 54: 435.
3. Thomas, G. C. I. (1996). "Plain Talk about the Miranda Empirical Debate: A Steady-State
Theory of Confessions." UCLA Law Review 43:933.
4. Simon, D. (2012). In Doubt: The Psychology of the Criminal Justice Process. Cambridge, MA:
Harvard University Press.
5. Kassin, S. M. and R. J. Norwick (2004). "Why People Waive Their 'Miranda' Rights: The Power of Innocence." Law and Human Behavior 28(2): 211—221.
6. Bond, C. F. and B. M. DePaulo (2006). "Accuracy of Deception Judgments." Personality and
Socia Psychology Review doi:10.1207/s15327957pspr1003 2.
7. Kassin, S. M. (2008). " The Psychology of Confessions." Annual Review of Law and social science 4(1): 193-217. doi:10.1146/annurev.1awsocsci.4.110707.172410.
8. Kassin, S. M., C. A. Meissner, and R. J. Norwick (2005). "'I'd Know a False Confession if I Saw One': A Comparative Study of College Students and Police Investigators." Law and Human Behavior 29(2): 211-227. doi:10.1007/s10979-005-2416-9.
9. Meissner, C. A. and S. M. Kassin (2002). "'He's Guilty!': Investigator Bias in Judgments of Truth and Deception." Law and Human Behavior 26(5):469-480. doi:10.1023/ A:1020278620751.
10. Vrij, A., K. Edward, and R. Bull (2001). "Police Offcers' Ability to Detect Deceit: The Benefit of Indirect Deception Detection Measures." Legal and Criminological Psychology 6(2): 185-196. doi:10.1348/135532501168271.
11. Rosenthal, R. and L. Jacobson (1968). "Pygmalion in the Classroom." The Urban Review 3(1):
16-20. doi:10.1007/BF02322211.
12. Snyder, M. and W. B. Swann (1978). "Hypothesis-Testing Processes in Social Interaction."
Journal of Personality and Social Psychology 36: 1202-1212.
13. Kassin, S. M., C. C. Goldstein, and K. Savitsky (2003). "Behavioral Confirmation in the Interrogation Room: On the Dangers of Presuming Guilt." Law and Human Behavior 27(2):
187-203.


Nadler, Janice and Pam A. Mueller. „Social Psychology and the Law“. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University Press


_____________
Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Sozialpsychologie

Parisi I
Francesco Parisi (Ed)
The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017

Send Link
> Gegenargumente gegen Sozialpsychologie
> Gegenargumente zu Polizeiliche Vernehmungen

Autoren A   B   C   D   E   F   G   H   I   J   K   L   M   N   O   P   Q   R   S   T   U   V   W   Z  


Begriffe A   B   C   D   E   F   G   H   I   J   K   L   M   N   O   P   Q   R   S   T   U   V   W   Z